German Institute on Radicalization
and De-radicalization Studies

Offener Brief an den "Islamischen Staat"

Am 3. Juni 2015 veröffentlichten die ‘Mothers for Life’ einen offenen Brief an den “Islamischen Staat” auf verschiedenen Social Media Seiten. Diese Counter-Narrative Kampagne wurde durch das GIRDS in Zusammenarbeit mit Müttern weltweit entworfen und hatte einen überragenden Erfolg.

Hier die wichtigsten Fakten:

  • Der Brief oder Artikel über ihn wurden mehr als 7000 mal auf Facebook geteilt und empfohlen.
  • Unser Brief wurde in acht Sprachen übersetzt: Türkisch, Deutsch, Arabisch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Belgisch und Spanisch.
  • Die erste Reaktion des “Islamischen Staates” kam nach exakt 3 1/2 Stunden. In der ersten Welle versuchten sie unseren Brief lächerlich zu machen, haben dann aber anschließend die internationale Aufmerksamkeit zu nutzen versucht, um für sich selber zu werben.
  • Viele Mütter aus neuen Ländern (z.B. Niederlande und USA) haben Kontakt mit uns aufgenommen, um Mitglied im ‘Mothers for Life’ Netzwerk zu werden.

Wir konnten uns keinen besseren Start für unsere Kampagne wünschen und sind überwältigt von der positiven Resonanz. Wir haben viele Ideen für weitere Aktionen und arbeiten bereits an verschiedenen Konzepten.

Offener Brief an den “Islamischen Staat” auf Deutsch

openletterdeutsch.pdf

Von den „Mothers for Life“

Wir sind alle Schwestern und kennen keine Grenzen oder Nationalitäten. Wir kommen gegenwärtig aus sieben Ländern und haben alle die gleiche Erfahrung gemacht. Wir sprechen die gleiche Sprache der Mutterschaft und wir warten auf eure Rückkehr, doch wir warten umsonst. Wir, eure Mütter, haben euch in diese Welt gebracht, geliebt und immer mit größtem Stolz gestützt.
„Und Wir haben dem Menschen anbefohlen, gegen seine Eltern gütig zu sein. Seine Mutter trug ihn mit Schmerz, und mit Schmerz brachte sie ihn zur Welt.“ (Koran: 46:15).
Wir, eure Mütter, haben euch viele Dinge gelehrt, doch von allen am wichtigsten waren Gerechtigkeit, Freiheit, Ehre und Mitgefühl für die Gesamtheit der Schöpfung Gottes und für jeden Menschen. Denn jeder Mensch gehört zu diesem Wunder des Lebens von dem wir zusammen ein Teil waren und auch ein in Zukunft ein Teil sein sollten. Doch nun wurde uns dieses Wunder genommen. Warum?

Jemand hat euch gesagt, dass ein anderes Leben nach diesem, unserem gemeinsamen, wichtiger und wertvoller ist, als das Leben mit eurer Mutter. Sie haben euch gesagt, dass ihr uns verlassen und für Gerechtigkeit und Ehre kämpfen und auch euer Leben aufgeben müsst, um dieses „wahre Leben“ zu finden.

Aber wir, eure Mütter, haben schon vor langer Zeit angefangen für Gerechtigkeit und Ehre zu kämpfen, als wir euch euer Leben gegeben und euch auf diese Welt gebracht haben. Wir haben uns gern für euch durch die Schmerzen gekämpft. Wir haben euch getragen, wenn ihr krank wart umsorgt und gepflegt und aufgemuntert, wenn ihr traurig wart. Dies ist die Ehre, die Freiheit und die Gerechtigkeit für die wir kämpfen und die wir verteidigt haben mit unserem Leben. Wir haben diese Prinzipien an euch, unsere Kinder, weitergegeben. Eure Bedürfnisse waren immer die wichtigsten für uns und wir waren euer erstes Fenster in diese Welt. Wir wollten euch niemals von ihr abschirmen, sondern euch zu einem Teil von ihr machen, mit jedem einzelnen eurer Begabungen als Geschenk an die Menschheit und die Umma. Dies war und ist unser Jihad durch Opfer und Hingabe an euch.

Wir wollten nicht, dass ihr uns verlasst. Wir wollen, dass ihr zurückkehrt. Wir wollen, dass ihr lebt. Auch wenn ihr denkt, dass der Tod euch ein „besseres” Leben geben wird. Erinnert euch doch an den Propheten Mohammed (Allahs (subhan-a watala) Segen und Friede auf ihm), der sagte: „Das Paradies liegt zu Füßen deiner Mutter [Musnad Ahmad, Sunan An-Nasâ’i, Sunan Ibn Mâjah]“. Ihr habt durch eure Entscheidung uns zu verlassen, euer Leben aufzugeben und das Leben anderer Menschen zu nehmen unseren Kampf, Schmerz und unsere Ehre unter eure Füße gestoßen und seid darüber gelaufen. (Abdullah ibn Amr überliefert, dass der Bote Allahs (subhan-a watala) sagte: Die größten Sünden sind zu glauben, Allah hätte jemanden neben sich, die eigenen Eltern zu missachten, Mord zu begehen und falsch Zeugnis zu geben (Bukhari, Muslim)).
Jemand hat euch gesagt, dass wir nicht den wahren Glauben hätten und dass eure Brüder und Schwestern in Syrien und Irak wichtiger als eure Brüder und Schwestern hier zu Hause sind. Aber wir brauchen euch mehr als sonst jemand. Unsere Verbindung war und ist über allem und von Ewigkeit, denn wir werden immer eure Mütter bleiben. Wir werden für immer auf eure Rückkehr warten, allein gelassen in diesem Leben.

Wie könnt ihr glauben Tauhid zu verwirklichen, wenn ihr das trennt, was durch Gottes Willen zusammen gehört: Mutter und Kind? Wir könnt ihr glauben die Jahiliyya hinter euch gelassen zu haben, wenn ihr ignoriert was eure eigenen Mütter wünschen und erhoffen?

Und wie könnt ihr behaupten für Allah (subhan-a watala) zu hassen und zu lieben, wenn ihr eure eigene Mutter zum Feind der Umma erklärt, wobei ihr wisst, dass wir, die Mütter, die Umma der Menschheit erhalten.

Wir wissen, dass einige von euch gegangen sind, um „wahre Männer” zu werden, Gerechtigkeit zu suchen und die Hilflosen zu beschützen. Aber meint diese Gerechtigkeit eure Mütter und Schwestern ungeschützt zu lassen? Ist dies die „wahre Männlichkeit“ von der man euch erzählt hat und die uns hier in die Öffentlichkeit zwingt, um über unseren intimsten Schmerz zu sprechen?

An die von euch, die über die Hijra und das Verlassen eurer Mütter nachdenken, sagen wir: „Denkt noch einmal nach, hört auf euer Herz und eure Mutter. Denkt darüber nach, warum ihr sie zurücklassen und ihr das Wichtigste in ihrem Leben nehmen wollt. Ihr werdet sie mehr verletzen als es irgendjemand anderes jemals könnte.“
„Dein Herr hat geboten: «Verehret keinen denn Ihn, und (erweiset) Güte den Eltern. Wenn eines von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, sage nie „Pfui!“ zu ihnen, und stoße sie nicht zurück, sondern sprich zu ihnen ein ehrerbietiges Wort. Und neige gütig gegen sie den Fittich der Demut und sprich: „Mein Herr, erbarme Dich ihrer, so wie sie mich als Kleines betreuten.“» (Koran 17:23-24).

Zu den Müttern, die nicht wissen was zu tun ist, sagen wir: „Fragt bei jenen nach Hilfe die durch den gleichen Prozess gegangen sind. Wir können euch helfen zu erkennen, zu verstehen und mit anderen Müttern zu sprechen. Kontaktiert uns und wir können euch in die richtige Richtung weisen.“

An die Entscheidungsträger sagen wir: „Wir sind die zurückgelassenen Mütter und wir müssen gehört werden. Wir brauchen Unterstützung und unsere Geschichten beweisen, dass etwas schief gelaufen ist. Wir wurden angelogen, ohne Hilfe allein gelassen und manchmal war es für unsere Kinder nur möglich uns zu verlassen, weil einige von euch weggeschaut haben.“

Wir werden nicht still bleiben oder weggehen. Wir sind die „Mothers for Life“.

Kontaktiert oder folgt uns hier, oder auf Facebook oder Twitter (@Mothers_4_Life)